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Zuletzt aktualisiert am Dienstag, 22. August 2001

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Ein aktueller gesellschaftskritischer Kommentar von Zieselpustra,
der wo gerne aktuelle gesellschaftskritische Kommentare schreibt

„Mir ist neulich etwas zugestoßen.“ Das sagt man so leichthin, ohne sich über die Tragweite der in schwingende Materie verwandelten und damit der in manifestiertem, festhaltbarem und nachweisbarem Sein verformten Geistesregung bewusst zu sein. Zugestoßen behält im übrigen auch nach der Rechtschreibverformung das ureigene deutsche ß, da das ß auf den laaangen, gedeeehnten Vokal ooo folgt. Das kann einem aber beim unbeschwerten Dahinsagen erst einmal egal sein. Und vielen wird es auch beim Schreiben gleich gültig sein, da ja nicht einmal mehr einstige Sprachvorbilder wie Zeitungen und Zeitschriften wert auf richtiges, geschweige denn gutes Deutsch legen und in Zeiten des verschärften marktwirtschaftlichen Konkurrenzkampfes lieber an den Sprachhütern einsparen als am Büromaterial. So richtet sich denn im siegreichen kapitalistischen System alles nach der Effizienz aus, nicht zuletzt auch die Sprache. Diese Säule menschlicher Identität sollte in letzter und ehrlicher Konsequenz in Zahlen eingetauscht werden, denn Zahlen sind berechenbar, kalkulierbarer, eindeutiger und in viele viele Zellen schön großer Excel-Tabellen gedrängt auch supraleicht verifizierbar. Was wiederum in unserer naturwissenschaftlich beherrschten Epoche die gleichgeschalteten Empiriker freuen dürfte.

Doch „mir ist neulich etwas zugestoßen“ spricht ja Bände: Mir ist etwas passiert, widerfahren; ich habe etwas erlebt, erfahren; es ist etwas vorgekommen bzw. mir begegnet. Da trifft also eine nicht näher fassbare, demnach unbeherrschbare, agierende Welt auf ein ausgeliefertes, passives, bestenfalls reagierendes Individuum. Der Einzelne als ins mächtige Sein Geworfene. Als passiver Materiebrocken dem Schicksal zum Fraß vorgeworfen. Hier manifestiert sich die Ohnmacht des Teils vor dem Ganzen. Eine Einstellung, Lebensweise, Antizipation des Seins, die uns weit zurückwirft hinter die Aufklärung. Finsterstes Mittelalter scheint mir da leise doch penetrierend durchzuklingen. Der von Gott – als es ihn noch gab – zur aktiven Gestaltung aufgeforderte Mensch wird selbst zum Untertan, fügt sich ein in Bedingungen, Umstände, eben in die angeblich normative Kraft des Faktischen.

Soll das unser Selbstbild sein? Und bleiben? Der stolze homo sapiens degradiert zum Akkordarbeiter am Fließband der Geschichte? Ich rufe Sie auf: Wenn Ihnen einmal wieder etwas zustößt, stoßen sie zurück! Lassen Sie das Erleben sein und leben Sie. Sagen Sie doch einfach mal „Nein“, wenn Ihnen Ihr Chef eine Gehaltserhöhung, mehr Urlaub und weniger Wochenarbeitszeit anbietet. Denken Sie immer daran: Von Millionen von Spermien zeugt eines neues Leben. Lassen Sie also ihren Faden nicht hängen, demnächst schon könnten Sie dieses Sperma sein.

herzallerwärmst Ihr Zieselpustra

 

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